Jochen Plogsties: Shanzhai

17. September – 29. Oktober 2016

Eröffnung:
17. September, 11:00 – 20:00 Uhr
18. September, 11:00 – 17:00 Uhr
im Rahmen des Rundgangs der Spinnerei Galerien

Bilder haben eigentlich nur die Möglichkeit als Abbilder von etwas anderem zu existieren; gemeinhin sind sie entweder eine Wiedergabe von sinnlich-erfahrbarer Wirklichkeit
oder von geistigen Vorstellungswelten – das Abstrakte mit eingeschlossen. Es sind diese beiden Pole – Imitation der Wirklichkeit und Visualisierung der geistigen Ideen –, die die Grundvoraussetzung für die Produktion von Kunstwerken bilden.
Jochen Plogsties hat in diesem verzweigten System eine unverwechselbar spezifische Verfahrensweise entwickelt, die ihm wie ein Ariadne-Faden den Weg durch das Labyrinth der Bilder weist. Seit spätestens 2010 setzt sich Plogsties intensiv mit den malerischen Möglichkeiten der Bilderaneignung auseinander:
Er malt Bilder ab, aber nicht die Originale, sondern ihre fotografischen Reproduktionen, zum Beispiel Altmeister-Gemälde, die er aus Kunstkatalogen kopiert. Auch können es Bilder der Populärkultur sein, oder Fotografien zeitgenössischer Kollegen, die er als Digitalisate im Internet findet und als Abbildungsvorlage ausdruckt. Dabei geht es ihm aber nicht um die perfekte Kopie. Es sind Wiederholungen von Bildern, die voll und ganz seiner persönlichen Malerhandschrift unterliegen, sodass grobe Differenzen zwischen Vorbild und Abbild unweigerlich sind.
Im Zuge des Kopierprozesses eignet er sich aber nicht nur das Originalbild an, sondern untersucht zugleich die kompositorischen Eigengesetzlichkeiten, die ursprünglich zur Hervorbringung des Originalbildes führten. Und um eben diese den Bildern zugrunde liegenden formalen Gesetzmäßigkeiten geht es Plogsties zunehmend in seinen jüngsten Werken. Auf seinen Leinwänden prallen seitdem zwei disparate Darstellungsprinzipien aufeinander. Einerseits das Prinzip der Wirklichkeitsimitation – die Figuration – und andererseits das Prinzip der Kompositionslehren: abstrakte, geometrische Regelwerke,
die dem Künstler bei der Frage unterstützen, wie und wo die Formen auf der Leinwand platziert werden. Plogsties nutzt in diesem Zusammenhang ein auf dem Pentagon (Fünfeck) basierendes arabisches Ornament. Auf seinen Leinwänden entstehen zwei autonome Bildniveaus, die unabhängig voneinander wahrgenommen werden können, sich mehr oder weniger durchdringen, wobei mal die abgemalte Vorlage, mal das Ornament vorherrschend ist. Zugleich generieren sich aber auch automatisch Bedeutungs-konzentrationen auf seinen Leinwänden: wichtige Momente der figurativen Komposition überschneiden sich mit den geometrischen Knotenpunkten.
Und an eben diesen Verdichtungen scheint sich unabhängig vom Künstler eine Art strukturelle Formel, eine Art alchemistisches „Geheim“-Wissen um die Entstehung von Bildern zu offenbaren. Plogsties, so könnte man letztendlich behaupten, ordnet sich, trotz seiner künstlerischen Freiheit grenzenlos Bilder zu produzieren, einer Strategie unter, die da heißt, die zeitlosen Eigengesetzlichkeiten in der Malerei mit Freude zu untersuchen und das Protokoll dieser Untersuchung in neuen Bildern auszudrücken.
– Marcus Andrew Hurttig